Wenn man hierzulande an Tourismusvermarktung denkt, stehen Bilder von Bergen und Natur oftmals im Vordergrund. Dass aber ein Grossteil der Übernachtungen auf den Geschäfts- und Kongresstourismus zurückzuführen ist, geht allzu oft vergessen. Doch wie geht es diesem eigentlich im Nachgang der Pandemie? Das haben wir einen gefragt, der es wissen muss: Thomas Wüthrich, den Leiter von Zürich Tourismus.
Thomas Wüthrich, Sie haben die Leitung Ihrer Organisation erst vor Kurzem übernommen. Was ist Ihr Eindruck, wie geht es dem Tourismus in Ihrer Stadt zurzeit?
Thomas Wüthrich: Deutlich besser als in der Akutphase der Pandemie. Nicht nur die Stadt, auch die restliche Region profitiert vom Reise-Nachholbedürfnis. Dies gilt sowohl für den Leisure- wie auch für den Geschäftstourismus, welche sich bei uns etwa die Waage halten. Zwar fehlen uns nach wie vor die Gäste aus China, und es bleibt offen, wie sich die Teuerung und der starke Franken auswirken werden. Aber viele Business-Gäste sind mittlerweile zurückgekehrt, unsere Hotels sind gut gebucht, die Zahlen aus den Übersee-Märkten sind ebenfalls erfreulich. Bei den Gästen aus der Schweiz ist für die Subregion Zürich ein starkes Wachstum von 100 % zu verzeichnen. Und auch aus Märkten wie Deutschland, UK, Nordamerika, Südostasien oder den Golfstaaten gibt es hohe Zuwachsraten.
Spüren Sie seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ein verändertes Anfrageverhalten im Bereich Geschäftstourismus und Kongresswesen?
Thomas Wüthrich: Wir gehen davon aus, dass der individuell reisende Geschäftstourist zwar wieder vermehrt nach Zürich kommt, aber eventuell nicht mehr im gleichen Ausmass wie vor der Pandemie, da nach wie vor viele Meetings online abgehalten werden. Auf der anderen Seite denken wir, dass die organisierten Geschäftsreisen sowie die grossen Meetings und Konferenzen an Bedeutung gewinnen, weil diese nicht nur der Informationsbeschaffung, sondern auch dem persönlichen Austausch und der Vernetzung dienen.
In der Akutphase der Corona-Pandemie waren der Geschäftstourismus und das Kongresswesen überproportional betroffen von Stornierungen und Umsatzeinbussen. Was denken Sie, wird es möglich sein, auf das Niveau von 2019 zurückzukehren und wenn ja, wann?
Thomas Wüthrich: Das ist schwer zu prognostizieren. Wie bereits erwähnt, gibt es künftig wohl weniger Geschäftsreisen, diese werden tendenziell aber länger andauern und umfassender sein. Dementsprechend können wir uns vorstellen, dass sich der Business- und der Leisure-Tourismus noch stärker vermischen. Konkret könnte dies bedeuten, dass Geschäftsreisende künftig vielleicht noch ein, zwei Tage anhängen, um unsere Stadt als «normale» Touristen zu erkunden.
Was tun Sie als Tourismusorganisation dafür, um dieses Ziel zu erreichen?
Thomas Wüthrich: Derzeit sind wir mit der Aktualisierung unserer Strategie beschäftigt. Ein essentieller Bestandteil davon wird sicher sein, den Geschäftstourismus noch stärker als bisher in den Fokus zu rücken. Zürich ist und bleibt ein wichtiger Standort für grosse Messen und Kongresse und dem wollen wir künftig noch mehr Rechnung tragen. Was unsere Marktaktivitäten betrifft, aber auch unsere personellen Ressourcen.
Wie muss sich die Destination weiterentwickeln, um für den Geschäftstourismus und das Kongresswesen attraktiv zu bleiben?
Thomas Wüthrich: Unser Angebot muss vielfältig und hochstehend bleiben. Ein wichtiger Pfeiler davon ist sicherlich das Thema Nachhaltigkeit, vor allem in ökologischer, aber auch in sozialer und ökonomischer Hinsicht. Hier müssen wir mit der Zeit gehen und die Erwartungen seitens unserer Kundinnen und Kunden erfüllen. Zudem verfügen wir zwar bereits über Möglichkeiten für grössere Kongresse, aber wir müssen unsere Event-Infrastruktur dennoch ausbauen, um gegenüber Basel, Genf und anderen Städten innerhalb Europas auch bei XL-Veranstaltungen konkurrenzfähig zu bleiben.
Das heisst, Sie sehen Zürich auch international als Destination für XL-Events?
Thomas Wüthrich: Auf jeden Fall. Zürich bietet alles, was braucht, um grosse internationale Events durchzuführen. Neben einem der besten Flughäfen Europas – 10 Bahnminuten von der City entfernt – haben wir eine Hotel-Infrastruktur auf höchstem Niveau. Auch die Kongress-Infrastruktur lässt sich sehen: Dank ACE, dem gemeinsamen Projekt von Hallenstadion, Messe Zürich und Zürich Tourismus sind wir endlich auf der Landkarte für grössere Veranstaltungen. Trotzdem sind wir nach wie vor der Meinung, dass Zürich dringend ein neues Kongresszentrum braucht.
Wenn Sie Ihre Stadt jemandem beschreiben müssten, der noch nie dort war, was würden Sie sagen?
Thomas Wüthrich: Zürich vermittelt Feriengefühl, as simple as that. Oder anders gesagt, in Zürich findet man auf kurzen Wegen alles, was das Herz begehrt: Hochstehende Kultur, ein ungemein vielfältiges gastronomisches Angebot und Top-Qualität bei den Unterkünften. Zudem ist man innert weniger Minuten mitten in der Natur.